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18.10.2021: Erntedank, Erntezank - Bringt die EU Landwirtschaft, Naturschutz und Lebensmittelsysteme nachhaltig zusammen?

Dieser Frage ging am Montag, 18.10.2021 eine Podiumsdiskussion des EUROPoint Ostalb im Landratsamt in Aalen nach.

Ende Juni einigten sich die europäischen Institutionen auf eine Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU (GAP). In seiner Begrüßung wies Landrat Dr. Joachim Bläse darauf hin, dass mit der neuen GAP mehr Umweltschutz verwirklicht werde, diese aber gleichzeitig den Landwirten im globalen Wettbewerb auch hohe Anforderungen auferlege.

Ministerialdirektorin Grit Puchan vom Ministerium für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg stellte in ihrer Einführung dar, dass zukünftig ein deutlich höherer Teil der Gelder für Landwirte an umweltfreundliche Maßnahmen geknüpft sein wird. Die neue GAP gehe dabei Hand in Hand mit dem baden-württembergischen Biodiversitätsstärkungsgesetz, das zeige, dass Landwirtschaft und Naturschutz keine Gegensätze sind. Viele Umweltmaßnahmen, die mit der neuen GAP nun europaweit gelten, seien in Baden-Württemberg schon heute Standard, so dass die Reform zu einer Angleichung von Produktionsbedingungen führe. Bei Lebensmitteln aus Baden-Württemberg handele es sich um Top-Produkte in höchster Qualität und mit hohen Umweltstandards.

In der anschließenden Diskussion verdeutlichte Hubert Kucher, Vorsitzender des Bauernverbands Ostalb-Heidenheim, dass rund die Hälfte des Einkommens landwirtschaftlicher Betriebe aus europäischen Agrarsubventionen stamme. Diese Abhängigkeit zeige auch, dass man in der Landwirtschaft heute nicht mehr von der Produktion alleine leben könne. Er kritisierte dabei die Marktmacht der vier großen Lebensmitteleinzelhändler in Deutschland, die der Landwirtschaft ihre Bedingungen auferlegen würden.

Hier hakte Robert Gampfer, Referent für Umwelt und Landwirtschaft von der Europäischen Kommission in Berlin, ein: Die Europäische Kommission mache sich mit der Strategie "Vom Hof auf den Tisch" daran, das Lebensmittelsystem zu modernisieren und insbesondere die Position der Landwirtschaft im Marktgefüge zu stärken. Er verdeutlichte zudem, dass die EU-Agrarsubventionen ein Ausgleich der Leistung der Landwirte für mehr Biodiversität seien – eine Dienstleistung, die über den freien Markt nicht vergütet werde.

Professorin Dr. Christine Wieck von der Universität Hohenheim erklärte, dass die Lebensmittelpreise am Weltmarkt gebildet würden und die Landwirte für den Lebensmitteleinzelhandel quasi austauschbar seien. Die deutschen Konsumenten seien im Vergleich besonders für Tierwohl und Umweltschutz sensibilisiert. Diese gesellschaftlichen Strömungen nehme zunehmend der Einzelhandel auf und bestelle die entsprechenden Produkte, worauf insbesondere die deutsche Landwirtschaft reagieren müsse – wobei der Handel eventuellen Mehrbedarf aus andere Ländern mit weniger hohen Standards zukaufe.

Angesichts dieses hohen Einflusses des Lebensmittelhandels auf den Verdienst und die Produktionsbedingungen der Landwirte appellierte Ministerialdirektorin Puchan an die Verbraucherinnen und Verbraucher, bewusste Kaufentscheidungen zu treffen und regional einzukaufen. Nur so wisse man, was man auf dem Teller habe und sorge für Wertschöpfung direkt vor Ort.

Die Fragen aus dem Publikum belebten die Debatte noch weiter und griffen zusätzliche Themen auf wie den Export von überproduzierten Lebensmitteln nach Afrika, der Möglichkeit von Umweltgebühren für in die EU eingeführte Produkte oder dem forcierten Ausbau von Biobetrieben. Die Veranstaltung wurde hybrid organisiert und so verfolgten neben dem Publikum vor Ort über 100 Gäste die Diskussion über den digitalen Live-Stream.